Kambodscha, Banan – Jetzt dachte ich, von den Emergency-Projekten zu berichten, sei einfach und würde genau einen Bericht füllen. Nichts davon stimmt. Es beginnt schon damit, dass Kambodscha tatsächlich anders ist als Laos. Wie anders lässt sich schwer in Worte fassen. Es ist wärmer, es ist weniger bewaldet – weil die Chinesen schon so viel abgeholzt und nach China transportiert haben -, es ist schmutziger und irgendwie simpler. Das Müllproblem allerdings löst sich jeden Abend. Wenn es dämmert und die Kühe, Wasserbüffel, Hunde, Motorroller und abenteuerliche Gefährte ohne Licht und Fußgänger immer schwerer zu erkennen sind, legt sich der Rauch über die Straßen und Wege und die ganze Szenerie wird in ein diffuses, gelbes Zwielicht getaucht, das nur vereinzelt von Scheinwerfern und den vielen kleinen Feuern am Wegesrand durchschnitten wird. Diese vielen kleinen Feuer sind die Müllverbrennungsanlagen der Haushalte, die regelmäßig jeden Abend entzündet werden.
Soviel zum atmosphärischen Teil. Und in dem Kontext müsst Ihr Euch die Situation der Familien vorstellen, denen wir mit den Emergency Projekten hier helfen.
„Mein“ Projekt, war die siebenköpfige Familie Kongkea in Banan. Oma, Vater, Mutter und vier Kinder. Wobei die Mutter kurz vor der Geburt des fünften Kindes steht und die vierzehnjährige Tochter vor sechs Monaten von einem Wanderarbeiter vergewaltigt wurde und jetzt ihr erstes Kind erwartet. Damit wird die Familie bald aus 9 Köpfen bestehen. Sie lebt in einer ca. 4×5 m großen Hütte, deren Boden und Dach löchrig ist und die mit einer Feuerstelle, einem Topf und zwei Tellern bestückt ist. Der Vater geht Fischen, verdingt sich mit Gelegenheitsjobs und jetzt musste auch der älteste Sohn die Schule abbrechen, um als Kuhhirte ein paar Cent dazu zu verdienen. Die vierzehnjährige Tochter wird die Schule nie wieder sehen. Sie teilen sich mit den benachbarten Familien einen Abort.
Jetzt werden sie von uns eine neue, größere und auch höhere Hütte bekommen, die der Familie mehr Platz bietet und die in der Regenzeit nicht unter Wasser steht. Dazu gibt es zwei große, in Kambodscha übliche Großkrüge mit Deckel, in denen das Regenwasser vom Dach gesammelt werden kann und Dank des Deckels dann auch für lange Zeit als Trinkwasser genutzt werden kann. Als unmittelbare Hilfe gab es als Spontankauf bei dem vorbeifahrenden Händler neue Kochstellen und einen Korb, um Kräuter und Obst zu sammeln. Und dann natürlich noch die Investition in die Zukunft. Unter großem Hallo und mit leuchtenden Augen stiegen die drei Jungs von ca. 6 bis 9 Jahren und auch das Mädel hinten auf und wir fuhren auf den Markt zum Schul-Shoppen. Schuluniformen, Schulmaterial und Rucksäcke für die drei Jungs und … ein Fahrrad! Der Älteste ließ es sich nicht nehmen und fuhr direkt die 10 km auf dem Fahrrad zurück nach Haus. Bald werden auf diesem Fahrrad alle drei Jungs wieder die Schule besuchen können. Die Freude, die die Kinder und die Familie empfunden haben, lässt sich nicht in Worte fassen. Und der Oma werden wir den großen Wunsch erfüllen und für die Familie einen eigenen Abort schaffen. Und da für das Mädchen der Schulbesuch beendet ist, bekam sie wenigstens statt der alten kaputten Schuhe neue und ein neues Kleid und brachte uns auf die Idee, für den Vater ein richtiges Fischernetz zu kaufen, um sein Geschäft zu verbessern. Die Kinder haben, so glaube ich, wirklich Potential und wenn ich nächstes Jahr wieder hier bin, möchte ich unbedingt vorbei fahren und sehen, ob und wie wir sinnvoll weiter unterstützen können. Soviel gedrückt und soviel (Freuden) Tränen verdrückt haben alle sicherlich selten. Ein wunderbares Erlebnis für alle Seiten.
Verfasserin: Sonja Groht